Poesie zwischen Dies- und Jenseits

Kurz vorgestellt ... Graber
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Pressebild / ©Corinne Koch

Seit über acht Jahren schreibt die Bäckstage-Redaktion über Musik und es ist wunderbar, dass Projekte wie Graber noch immer überraschen können. Etwas Ähnliches wie dieses faszinierende Projekt, war bisher nie Thema. Was macht Graber so aussergewöhnlich? Wir haben uns auf Spurensuche das neue Album «Schattenklang» angehört.

 

Es ist die ungeschminkte und gleichzeitig harmonische Herangehensweise an ein oft unliebsames Thema: der Tod. Man könnte durchaus sagen, dass Graber – und hier ist der Name Programm – den Ansatz wählt, seine Poesie vom Grab her auszubreiten. Egal, ob man selbst in einem Grab liegt, jemanden beerdigen musste oder einfach aus Interesse über einen Friedhof läuft, die Namen und Jahreszahlen studiert, sich an den Blumen oder Bäumen erfreut und sich in der Stille der eigenen Gedanken mit der Vergänglichkeit beschäftigt.

 

Graber - «Schattenklang»

 

Graber nutzt stilistisch eine Art Sprechgesang, der aus der Zeit gefallen wirkt, gleichzeitig aber seltsam zeitlos berührt. Der Künstler betrachtet das Thema Tod aus allen Winkeln und Perspektiven, nutzt die Sicht von Sterbenden und Hinterbliebenen oder bleibt allgemein poetisch beim Thema, ohne einen fixen Protagonisten zu triggern. In jenen Momenten glänzen die poetischen Texte, die oft unscheinbar wirkende Kleinigkeiten beschreiben, etwa Krokuse an einem Grab oder das brillant beschriebe «steinerne Heer in Reih und Glied» aus dem Song «Gräberfeld». Jan Graber kommt aus der Rockmusik und beschäftige sich durch persönliche Ereignisse verstärkt mit dem Thema Tod bzw. Sterben. Der als «Todespoet» bezeichnete Künstler meint zum Projekt: «Mit meiner Rockband war ich an einen toten Punkt gelangt und die Rockmusik drehte sich für mich im Kreis. Ich wollte Grenzen aufbrechen. Da mich zu diesem Zeitpunkt mehrere nahe Todesfälle beschäftigten, entstand die Idee zu «Tod gesagt».» Der musikalische Hintergrund spielt bei Graber eine zentrale Rolle. Die Musik scheint äusserst pointiert, erinnert in ihrem nie fixen Stil an Industrial, aber auch Jazz oder Pop. Als Einflüsse werden Namen wie Nick Cave, Pink Floyd oder Tom Waits genannt, doch tauchen beim Hören der Songs zusätzliche Namen wie Ry Cooder oder Stile des frühen 20. Jahrhunderts auf, in manchen Momenten gar ganz sanfte Assoziationen zu Rammstein, was wohl an der gelegentlich bewusst kühlen Sprache liegt. Im Grunde unterstreicht die Musik gezielt und dezent den lyrischen Sprachgesang von Jan Graber. So entsteht eine Harmonie, die eine starke Sogwirkung erzeugt und neugierig auf mehr macht.

 

Einfühlsames Auseinandersetzen mit einem Aspekt des Lebens, der unumgänglich ist.

 

Die Reise von Graber hat bereits 2008 begonnen und «Schattenklang» bildet den dritten Teil der «Tod gesagt»-Reihe. Das namensgebende Album war der Auftakt in ein besonderes Projekt voller Emotionen, aber auch mit Rückschlägen. Graber ist eine musikalische Reise unter Freunden. Etwa Martin Strickler, der viele Texte sprach, aber 2017 jäh aus dem Leben gerissen wurde. Aber Graber wollten sich davon nicht unterkriegen lassen und formierten sich neu, um ein Gedenkkonzert für Strickler zu spielen. Seither besteht die Band aus Sara Schär (Ex-TNT, One Two Three) am Bass, Stefano Mauriello (Tar Pond) spielt Gitarre und Jan Graber komponiert und spricht die Texte.

 

Das Album «Schattenfeld» ist aber keinesfalls ein morbider Tanz mit der Totenkultur, sondern ein einfühlsames Auseinandersetzen mit einem Aspekt des Lebens, der unumgänglich ist. Der Schweizer Songwriter und Dichter – alle Gedichte stammen von Jan Graber - erlaubt bewusst die Betrachtung aus Sicht der Sterbenden oder der Hinterbliebenen. Er spricht Emotionen an und tut dies sehr filigran, plastisch und detailliert. Das Album beschäftigt sich mit dem Dies- und dem Jenseits und wirkt dabei zu keiner Zeit düster oder traurig. Genau diese Sprachakrobatik auf höchst schwierigem Grad zeichnet Graber aus. So endgültig das Kernthema der Songs ist, es spendet auf eine ungeahnte Weise letztlich auch Hoffnung, weil das Thema Tod pietätvoll, sensibel und harmonisch betrachtet wird. Dies entfacht zwar eine sanft morbide Poesie, eine Sammlung an Songs über den Abschied und das Verblassen, lässt Wut, Zorn, Angst und Verzweiflung angemessen Raum, suhlt sich aber zu keinem Zeitpunkt darin, sondern scheint den Blick auf das lebendige Leben zu legen und dürfte so manchen auch Trost spenden. Dieser Spagat ist eine künstlerisch beeindruckende Leistung.

 

Es macht den Eindruck als hätte Graber mit der sprachakrobatisch und poetisch umfangreichen Betrachtung des Todes eine Lücke geschlossen, die zuvor gar nicht so richtig bemerkt wurde.

 

  • Künstler: Graber
  • Aktuelles Album: «Schattenklang» (: 27. Nov. 2020)
  • Gerne: Poesie, Rock, Jazz, Industrial
  • Website von Graber

 

Bäckstage Redaktion / Di, 24. Nov 2020